Asthma Bronchiale und das Mikrobiom

Das Umgebungs-Mikrobiom bietet Schutz vor der Atemwegserkrankung

Mikrobiom und Asthma

Die Behauptung, man könne Asthma allein durch das Mikrobiom heilen oder lindern, wäre in höchstem Maße unseriös. Wie bereits erwähnt, gehört Asthma zu den chonischen Krankheiten, für die es leider auch heute, Stand 2017, noch keine Heilung gibt.

Doch gibt es sehr interessante Zusammenhänge, die im Rahmen der Mikrobiomforschung erkundet werden. Sie zeigen auf, dass unser extrem bakterienarmes Leben im Zusammenhang mit der Ausbreitung von Asthma und Allergien steht.

Die Kinderärztin und Allergologin Prof. Dr. Erika von Mutius widmet ihr Leben dieser Forschung. Im Jahr 2013 wurde sie gefragt, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom eines Menschen und seinem Risiko, an einer Allergie zu erkranken, gebe. Damals gab es laut Prof. Dr. Erika von Mutius noch nicht genug Studien, um eindeutige Beweise vorlegen zu können.

Der Darm könnte im Zusammenhang mit Asthma stehen

Prof. Dr. Erika von Mutius sagte im Interview etwas sehr interessantes:

“Man könnte sich theoretisch vorstellen, dass für die Neurodermitis vielleicht die Haut wichtig ist und für das Asthma vielleicht die Lunge und für die Nahrungsmittelallergien vielleicht der Darm. Aber es gibt auch Vermutungen dahingehend, dass der Darm vielleicht auch für das Asthma wichtig sein könnte. In Mausstudien konnte man diese Zusammenhänge bereits nachweisen, aber von der Maus zum Menschen ist es eben doch ein weiter Weg und ich glaube, dass man hier noch keine definitive Aussage treffen kann. Deshalb werden diese Fragestellungen jetzt in den Studien getestet. Hier wird viel geforscht, allerdings stark limitiert durch die hohen Kosten.”

Mikrobiom der Lunge

Auch berichtete Prof. Dr. Erika von Mutius über Untersuchungen von Asthma bei Kindern. Damals konnte bewiesen werden, dass die Bakterienbesiedelung in der Lunge sich bei kranken und gesunden Kindern unterscheidet. Allerdings konnte nicht geklärt werden, ob diese andersartige Besiedelung nun Ursache oder Folge des Asthmas war. Zu dieser Zeit wurde auch die sogenannte “Bauernhofstudie” ins Leben gerufen. Kinder, die auf klassischen Bauernhöfen aufwachsen, scheinen ein geringeres Risiko zu haben, als Kind an einer Allergie oder Asthma zu erkranken. Was ist der große Unterschied zwischen einem Stadtkind und einem Bauernkind? Prof. Dr. Erika von Mutius nennt es das “Umweltmikrobiom” – die Vielfalt der Bakterien, die uns täglich umgeben. Während ein Stadtkind mit nur wenigen Bakterien in Berührung kommt, wird das Immunsystem des Kindes auf dem Bauernhof täglich mit einer Vielzahl von harmlosen Bakterien aus Stall und ländlicher Umgebung konfrontiert. Diese wertvollen Sparringspartner fehlen dem Stadtkind, das oft in einer nahezu keimfreien Wohnung aufwächst. Dabei spielt nicht die Menge, sondern die Art des Schmutzes eine Rolle (siehe Artikel der LMU). Eine Stadtwohnung einfach weniger gründlich zu putzen wird nicht den gewünschten Effekt erzielen.

Nicht nur in München wird emsig geforscht. Auch die GABRIEL-Studie der Universität Ulm beschäftigte sich mit der Frage nach genetisch und umweltbedingten Ursachen für Asthma und kam zum gleichen Ergebnis: Das Aufwachsen auf einem Bauernhof, der Kontakt mit Rindern und Heu und das Trinken von Rohmilch haben einen messbaren positiven Einfluss und schützen Kinder vor Asthma und Allergien.

Die Bauernhofstudie sollte ermitteln, ob das Mikrobiom sich bei Stadt- und Bauernhofkind unterscheidet und inwiefern dies eine Auswirkung auf Asthma und Allergien hat. Die Studie, die damals gerade begann, wurde im Jahr 2015 fertiggestellt – und nun wird es spannend.

Die Bauernhofstudie

Dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, ein niedrigeres Risiko für die Erkrankung an Asthma und Allergien haben, war bereits vor dieser Studie bekannt. Dass dies mit der Bakterienvielfalt in der Umgebung zu tun haben könnte, wurde ebenfalls als ziemlich gesichert angesehen. Im Rahmen der Studie konnte aber ein messbarer Beweis erbracht werden, in Form eines Enzyms.

Enzym A20 – ein Geheimnis wird gelüftet

Experimente mit Mäusen konnten zeigen, dass im Stallstaub enthaltene Bakterienbestandteile das Enzym A20 in der Schleimhaut der Atemwege stimulieren. Auf diese Weise schützen sie den Menschen vor allergischen Reaktionen. Mäuse, welche dieses Enzym nicht bilden können, zeigen keine positive Reaktion auf die Konfrontation mit den Bakterien aus dem Stall. Allein das Zusammenspiel beider Komponenten bildet den Schutz vor Asthma und Allergien. Auch im Versuch mit menschlichen Zellen der Lungenschleimhaut wurde festgestellt, dass die Zellen gesunder Patienten wesentlich höhere Mengen des Enzyms A20 enthielten als die Zellen von Asthmatikern.

Laut der Ein-Gen-ein-Enzym-Hypothese wird jedes Enzym durch ein Gen codiert. Das bedeutet, dieses Gen trägt die Information für die Bildung “seines” Enzyms. Das Enzym A20 wird im menschlichen Körper vom Gen TNFAIP3 codiert. Dieses Gen kommt in verschiedenen Mutationen vor, die entweder Asthma begünstigen oder sogar vollständig unterdrücken können. Allerdings scheint es besonders wichtig zu sein, dass sich Kühe im Stall befinden. Bei anderen Tieren konnte der positive Effekt nicht nachgewiesen werden.

Rohmilch gegen Asthma

Es gab aber noch ein zweites überraschendes Ergebnis. Der Verzehr von Rohmilch scheint das Risiko von Atemwegserkrankungen und Mittelohrentzündungen um bis zu 30 Prozent zu senken (siehe Artikel der LMU). Der Entzündungsparameter CRP (C-reaktives Protein) dient als Marker für Entzündungen im Körper. Hohe Entzündungswerte konnten bereits in Studien mit der Entstehung chronischer Krankheiten wie Asthma und Adipositas in Verbindung gebracht werden. Säuglinge, die Rohmilch tranken, hatten niedrigere Normalwerte. Und hier sind wir wieder bei unserem Mikrobiom angelangt, denn das Trinken von Rohmilch hat zunächst wenig direkte Auswirkung auf unsere Atemwege – stattdessen ist der Darm und damit unsere Darmflora im Spiel.

Rohmilch bekommt man ausschließlich auf dem Bauernhof. Die Milch, die wir normalerweise konsumieren, stammt aus dem Supermarkt und wurde pasteurisiert und homogenisiert. Bei diesen Vorgängen werden sämtliche Bakterien abgetötet und die Milch aufbereitet, so dass der Rahm sich nicht als Schicht auf der Milch absetzen kann und die Milch einen gleichmäßigen Fettgehalt aufweist. Als ich ein Kind war, war unsere Gemeinde noch ein richtiges Dorf – mit Bauernhöfen. Aus solche einem Bauernhof holte ich damals, mit einem Kännchen bewaffnet, die Milch – frisch von der Kuh gezapft. Diese Milch lässt sich nicht mit unserer Supermarktmilch vergleichen. Unser Dorf ist nun kein Dorf mehr, sondern mittlerweile gibt es zwei große Supermärkte, und die Milch wird auch bei uns im Tetrapack gekauft – pasteurisiert, homogenisiert und länger haltbar.

Würden wir jedoch nun anfangen, Rohmilch zu trinken, hätte dies möglicherweise einige unerwünschte Nebeneffekte. Das Abtöten von Bakterien ist einerseits notwendig, da sich in der Rohmilch auch schädliche Bakterien befinden können. Andererseits werden auch die für uns nützlichen Bakterien abgetötet und kommen unserem Mikrobiom damit nicht mehr zugute. Aufgrund dieser Erkenntnisse könnten aber neue Herstellungsverfahren entwickelt werden, die dazu führen, dass die nützlichen Bakterien in der Milch erhalten bleiben.

Eine gesunde Vielfalt erhalten

Bisher konnte noch nicht genau geklärt werden, auf welche Weise Mutter- oder Kuhmilch diese positiven Auswirkungen auf Asthma und Allergien haben. Doch der Einfluss auf die Darmflora ist ein sehr wahrscheinlicher Bestandteil davon. Es lohnt sich also, unsere Mikrobiota einer großen Vielfalt von Umgebungsbakterien auszusetzen, zumal dies neben dem Schutz vor Asthma noch weitere gesundheitliche Vorteile bietet.

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