Übergewicht

Der große Einfluss des Mikrobioms

Die großen Probleme der Menschheit

Welchen Einfluss hat das Mikrobiom, also die Darmflora, auf unser Gewicht? Wie kann es sein, dass manche Menschen scheinbar alles essen können, ohne zuzunehmen, und anderen schon vom Ansehen einer Torte ein Speckröllchen wächst?

Die Forschung von Jeffrey Gordon – Vater des Mikrobioms dreht sich vor allem um zwei der großen Probleme der Menschheit: Unterernährung und Übergewicht.

Für seine Studien verwendet das Forscherteam um Dr. Gordon spezielle Mäuse, sogenannte Gnotobioten. Diese Mäuse wurden in einer sterilen Umgebung geboren und aufgewachsen und verfügen über keinerlei Bakterienbesiedelung. Dieser unnatürliche Zustand erlaubt gezielte Experimente, anhand derer die Wissenschaft sich neue Erkenntnisse über den Zusammenhang von Mikrobiom und menschlicher Nahrungsaufnahme erhofft.

Zunächst konzentrierten sich die Wissenschaftler Jeffrey Gordon und Ruth Ley auf das Übergewicht und die damit verbundenen Volkskrankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes.

Die Darmflora von dicken und dünnen Mäusen

Für den ersten Vergleich nutzten sie Labormäuse, die durch Genmutation zu Übergewicht neigten, und normale Mäuse aus dem selben Wurf. Bei exakt gleicher Ernährung und Haltung unterschied sich erstaunlicherweise die Bakerienzusammenstellung im Darm beider Mäusegruppen. Die schlanken Mäuse beherbergten mehr Firmicutes und weniger Bacteroides als die dicken Mäuse. Dieses Experiment zeigt auf, dass die Gene des Wirts und die Zusammensetzung der Darmflora sich ganz ohne weitere äußere Einwirkung gegenseitig beeinflussen. Die Frage ist nun, steuert das Mikrobiom die Zusammensetzung der Gene oder steuern die Gene des Wirts die Zusammensetzung der Darmflora?

In einem weiteren Experiment sollte genau diese Frage geklärt werden.  Dazu wurde das Mikrobiom der dicken Mäuse und der dünnen Mäuse auf andere, genetisch “normale” Gnotobioten übertragen. Dies kann durch eine Stuhltransplantation durchgeführt werden. Es gab nun vier Kontrollgruppen: Die dicken Mäuse, die dünnen Mäuse und die Gnotobioten mit dem Mikrobiom der dicken oder dünnen Mäuse. Alle vier Gruppen wurden wieder identisch ernährt. Es zeigte sich, dass die Gnotobioten mit dem Mikrobiom ihrer dicken Artgenossen ebenfalls an Gewicht zunahmen. Ich wiederhole: bei exakt gleicher Kalorienaufnahme und Haltung!

Die Darmflora von dicken und dünnen Menschen

Weitere Studien wurden mit menschlichen Zwillingspaaren durchgeführt, bei denen der eine Zwilling übergewichtig, der andere schlank ist. Eineiige Zwillinge ermöglichen es, die Auswirkung von äußeren Einflüssen auf genetisch identische Lebewesen zu studieren, darin liegt der besondere Wert dieser Testreihe. Es stellte sich heraus, dass das Mikrobiom des jeweiligen schlanken Zwillings weitaus mehr Artenvielfalt besaß als das des fettleibigen Zwillings. Diese Eigenschaft kann nicht jeweils angeboren sein, da es sich bei den Probanden um Zwillinge handelt.

Um einen weiteren Beweis für den Einfluss des Mikrobioms auf die Statur seines Trägers zu erbringen, übertrugen die Forscher die Darmflora der jeweiligen übergewichtigen und dünnen Zwillinge auf weitere Gnotobioten. Auch hier war das Ergebnis wieder eindeutig: Eine Maus, die das Mikrobiom eines adipösen Menschen erhält, nimmt bei gleicher Ernährung mehr an Gewicht zu wie ein Argenosse, dem das Mikrobiom eines schlanken Menschen übertragen wurde.

Es ist wichtig, diese Erkenntnis in ihrer vollen Tragweite zu verstehen. Im ganz normalen Leben kann man nicht genau sagen, ob erst Übergewicht das Mikrobiom verändert oder ob eine gestörte Darmflora zu Übergewicht führt. Vermutlich trifft beides zu und bildet einen Teufelskreis. Aber das eben beschriebene Experiment zeigt eindeutig, dass in diesem Fall ausschließlich ein verändertes Mikrobiom bei ansonsten exakt identischen Lebensbedingungen zu einer Änderung des Metabolismus (= Aufnahme von Nährstoffen in den Körper) führt. Diese Erkenntnis zeigt, wie wichtig Artenvielfalt unserer Darmbakterien ist.

Umstellung von Ernährung und Mikrobiom

Auch bei fettleibigen Menschen konnte bereits gezeigt werden, wie sich mit einer Ernährungsumstellung ihr Mikrobiom veränderte. Diese Ergebnisse legen die Schlussfolgerung nahe, dass nicht nur Übergewicht, sondern auch damit einhergehende Krankheiten durch das Zusammenwirken einer Mikrobengemeinschaft entstehen können. Findet man einen möglichen Auslöser für Krankheiten, ist dies ein wichtiger Schritt, um anschließend eine Möglichkeit zur Heilung zu entdecken.

Dicke Mäuse haben es etwas leichter als wir Menschen, Gewicht zu verlieren. Sie bilden einfach eine Wohngemeinschaft mit schlanken Mäusen. Mäuse haben die Angewohnheit, den Kot ihrer Artgenossen zu fressen. Dadurch verleiben sie sich auch die Darmbakterien ihrer schlanken Freunde ein. Durch die erhöhte Artenvielfalt glichen sich die moppeligen Mäuse in kurzer Zeit an die schlanken an.

Beim Menschen ist es etwas schwieriger. Diese spezielle Essgewohnheit der Nager möchten wir (hoffentlich) nicht annehmen. Wie aber bereits beschrieben, wird das Mikrobiom auch durch eine Ernährungsumstellung verändert. Nehmen wir Lebensmittel zu uns, welche die Lebensbedingungen für günstige Bakterien wie Firmicutes verbessern, so vermehren sich diese Bakterien entsprechend. Sie verdrängen dann ungünstige Bakterien wie Bacteroides. Bisher wurde angenommen, der Mensch muss sich gesund und kalorienarm ernähren, um weniger Kalorien aufzunehmen. In dieser Kette fehlt aber das wichtigste Glied – das Mikrobiom.  Tatsächlich ist die Lösung, uns mikrobiomfreundlich zu ernähren. Damit unterstützen wir ein Mikrobiom, welches weniger Kalorien, aber mehr wertvolle Nährstoffe aus der Nahrung gewinnt.

Mehr Informationen: The father of the microbiome (englisch)

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